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NOVOSZEL ERICH KUNSTPROJEKT »ANSCHÜTZGASSE 29«
9 RÄUME,
AUGUST / SEPTEMBER / OKTOBER 2000

SPACE FOR KOJI ENOKURA
SVIJETLO U JUŽNOM GRADIŠĆU – LICHT IM SÜDBURGENLAND
HAUMEISTERLEBEN – HAUSMEISTERBLICKE
RAUM FÜR ALFRED ADLER UND JOHANN GÄRTNER
LIFE – CRISIS – LIFE – TOKYO 1992
RAUM DER ZÄHNE
RAUM DUMPFER GLÜCKSELIGKEIT
RAUM DES KURZWEILIGEN VERGESSENS
BIJELI PROSTOR – WEISSER RAUM

DER MUSIKER FRANZ HAUTZINGER, HAT MITTELS KLEINER TRANSISTORRADIOS IN DEN RÄUMEN AKUSTISCH AUF DIE ARBEITEN DES KÜNSTLERS REAGIERT.

 

RAUM DER ZÄHNE
Materialien: Kunststoffzähne, Schaumgummi, Sessel, Tischchen, 1 Polster, 2 Glasplatten, Bügeleisen, Telephon, Weizen, Moltofill.

Dieser Raum hat mir durch sei­ne vi­su­ell star­ke Gerichtetheit und Präsenz im Vorgefundenen Zustand (dunk­ler, fast schwar­zer, glän­zen­der Boden mit grün­ge­stri­che­nen Wänden, an de­nen zahl­rei­che Spuren von frü­her dort ge­han­ge­nen Plakaten und Bildern, Körperfettabdrucken an der Wand, Spuren von Rauch beim Heizkörper an der Wand) star­ken Widerstand ge­gen mei­ne künst­le­ri­schen Interventionen ge­setzt. Erst das Auffinden von zahl­rei­chen Schachteln mit Kunststoffzähnen, im Container vor mei­nem Nachbarhaus, hat mir die Richtung für mei­ne künst­le­ri­sche Reaktion ge­wie­sen. Eine Dentalfirma ist zur sel­ben Zeit, als ich an die­sem Installationsprojekt ge­ar­bei­tet ha­be in mein Nebenhaus um­ge­sie­delt und hat dort die­se Kunststoffzähne ent­sorgt.

Große Probleme mit Zähnen sind ein sicht­ba­res Zeichen für die Unterprivilegiertheit von Gruppen in der Gesellschaft mit ge­rin­gem Einkommen. Da im Haus Anschützgasse 29 al­le Spuren dar­auf hin­deu­te­ten, dass ih­re Bewohnerinnen ein­ge­rin­ges Einkommen hat­ten, war das Problem mit der Beschaffenheit ih­rer Zähne un­ter ih­ren zahl­rei­chen Problemen si­cher­lich nicht das ge­rings­te. Die »lie­gen­de Weizenfigur«, wel­che ich als ei­ne weib­li­che se­he, ist räum­lich dort plat­ziert, wo ich die Schlafstelle die­ser Bewohnerin ver­mu­te. An der Wand gibt es Spuren die ent­ste­hen, wenn über län­ge­re Zeiträume hin­weg, Körper mit der Wand in Kontakt kom­men. Die Höhe die­ser »Körperfettabdrücke«, lässt für mich schlie­ßen, dass die­se Person auf ei­ner Matratze di­rekt am Boden ge­schla­fen hat.

Der Weizen, als künst­le­ri­sches Material, steht durch das Darstellen und Verwenden von Wachstumsprozessen, für das Prinzip des Lebens, im Gegensatz zu Vorgefundenen »Objekten«, die nur sehr kom­plex – ver­mit­telt, den ehe­ma­li­gen Zusammenhang mit mensch­li­chem Leben her­stel­len kön­nen.

 

RAUM FÜR ALFRED ADLER UND JOHANN GÄRTNER
Materialien: 2 ge­rahm­te Photographien, 1 Buch über Alfred Adler, 5 ja­pa­ni­sche Eßschalen ge­füllt mit Weizen, ein­ge­trock­ne­te Zitronen, Teller, Tassen, Schüssel, 1 Maggiflasche, Salz, Zuckerdose mit Zuckerresten.

Diese Installation be­zieht sich auf Raumpunkte in der Nähe des Hauses Anschützgasse 29. Das Thema hat mit dem Begriff »Gedenktafel« zu tun. Zwei Photos do­ku­men­tie­ren Gedenktafeln für 2 Personen, die ei­nen räum­li­chen Bezug zum Ort ih­rer Anbringung ha­ben.

Alfred Adler, ein Schüler Sigmund Freuds und der Begründer der Individualpsychologie, wur­de im Haus Mariahilferstraße 208 ge­bo­ren und ver­brach­te dort ei­ni­ge Jahre sei­nes Lebens. Für Johann Gärtner, ei­nem Straßenbahner, Gewerkschafter und Kämpfer ge­gen den Nationalsozialismus, wur­de bei der Straßenbahnremise Anschützgasse ei­ne Gedenktafel an­ge­bracht, die an sei­ne po­li­ti­sche Tätigkeit ge­gen den Faschismus und an sei­ne Hinrichtung am 8.11.1944 er­in­nert.

Beide Personen ha­ben nichts di­rekt mit­ein­an­der zu tun, sind aber Menschen, die si­gni­fi­kan­te Positionen in der Zeit der Umbrüche in der wiener- und ös­ter­rei­chi­schen Geschichte dar­stel­len. Adler soll so­zu­sa­gen auf der »Gasse« auf­ge­wach­sen sein, da sein Vater, der Getreidehändler war, in der gro­ßen Wirtschaftskrise im letz­ten Viertel des 19. Jahrhundert sein Vermögen ver­lor und sie des­we­gen in be­schei­de­nen Verhältnissen leb­ten. Daher war Alfred Adler mit den Problemen der pro­le­ta­ri­schen und klein­bür­ger­li­chen Schichten der Vorstadt bes­tens ver­traut, was ihn auch zeit­wei­lig po­li­tisch in die Nähe der Sozialdemokratie brach­te. Über Johann Gärtner ist mir au­ßer den Informationen auf der Gedenktafel nichts be­kannt.

Die Teller und Lebensmittelreste, die kreis­för­mig am Boden plat­ziert sind, ha­be ich in der Kredenz im »Hausmeisterraum« ge­fun­den und in die­sen Raum ge­bracht. Diese Gegenstände ste­hen für mich für die Lebensrealität so­zi­al be­nach­tei­lig­ter Massen, die durch die ge­sell­schaft­li­chen Verhältnisse in der ab­sin­ken­den Ordnung der Donaumonarchie, und den dar­auf­fol­gen­den ka­ta­stro­pha­len Umbrüchen ge­formt und ver­formt wur­den. Beide, so­wohl Adler als auch Gärtner ver­tra­ten Positionen, die ge­gen die je­weils herr­schen­den po­li­tisch ge­sell­schaft­li­chen Realitäten je­der mit sei­nen Möglichkeiten, al­ter­na­ti­ve Lebenskonzepte er­ar­bei­ten woll­ten (wo­bei an­ge­merkt wer­den muss, dass am Beginn des 1. Weltkrieges Alfred Adler kriegs­be­ja­hen­de Positionen ver­tre­ten hat).

 

LIFE – CRISIS – LIFE – TOKYO 1992
Materialien: Zitronen, Wandfarbe, Tafelbild (Acryl auf Papier, auf Holz, Photographien) 1993

Diese Installation hat als Ausgangspunkt ein Tafelbild, wel­ches zwar erst 1993 ent­stand, aber Photographien, die ich mit ei­ner Schnappschusskamera von mei­nem Körper 1992 ge­macht ha­be als künst­le­ri­sches Grundelement be­inhal­tet. Diese Photos wa­ren in ei­ner Zeit ent­stan­den, in der ich ei­ne in­ten­si­ve Lebenskrise in Japan durch­leb­te, die so­wohl mit mei­ner per­sön­li­chen Lebensentwicklung und Lebensperspektive als auch mit mei­nen da­ma­li­gen Lebensbedingungen in Japan in Zusammenhang steht. Das Abphotographieren mei­ner Körperoberfläche stell­te für mich den Versuch dar, mei­ne da­mals wi­der­sprüch­li­chen Gefühle zu mir selbst, durch die­se künst­le­ri­sche Tätigkeit ver­ste­hen und er­ken­nen zu ler­nen und für mich neue Lebensperspektiven zu er­ar­bei­ten. Die Wand mit Zitronen, stellt ei­ne Fortführung künst­le­ri­scher Arbeiten mit die­sem Objekt dar, wel­ches ich zum ers­ten Mal in der Installation »Ein Versuch zu Franz Kafka« ver­wen­det ha­be, wo­bei die­se Arbeit ei­ne Auseinandersetzung mit eben die­ser Lebenskrise zum Inhalt hat­te. Die Zitrone in ih­rer kör­per­haf­ten und farb­li­chen Veränderbarkeit, steht für mich im Kontext mei­ner künst­le­ri­schen Arbeit für grund­sätz­li­che Änderungs- aber auch Verfallsprozesse im mensch­li­chen Erfahrungsbereich.

 

RAUM DUMPFER GLÜCKSELIGKEIT
Materialien: 1 Tischchen, 2 Sessel, Telephon, Zeitungsblätter,1 Kasten, 2 Nachtkästchen, 1 Paar aus­ge­tre­te­ner Frauenschuhe, Besen, 2 Punschkrapferln, 1 Bettmatratze, 1 Kugellampenschirm.

Ein mit Blättern ei­nes be­kann­ten ös­ter­rei­chi­schen Boulevardblattes be­kleb­ter Raum. An den Wänden al­te ver­gilb­te Raufasertapeten, ver­schie­de­ne Möbelstücke, sti­lis­tisch nicht zu­sam­men­pas­send, ein Sessel mit ab­ge­säg­ten Teilen, in die Ecke ge­scho­ben, ei­ne Bettmatratze, schwarz­la­ckier­tes Nachtkästchen, ein ver­gilb­ter Kugellampenschirm, »Punschkrapferl« auf Matratze und Nachtkästchen, Frauenschuhe und Besen auf Kasten. Die zer­bro­che­ne Fensterscheibe mit »Leukoplast« not­dürf­tig ver­klebt.

Spuren ei­nes Lebens in Uninformiertheit, Mangel an zu Vielem, Frustration, Angst, Wut, Ressentiments ei­ner­seits ak­ti­viert, aber an­de­rer­seits ka­na­li­siert und po­li­tisch zu­ge­rich­tet; auch durch das Massenblatt. Glücksempfinden beim Lesen au­ßer­or­dent­li­cher Unglücksfälle an­de­rer Menschen. Befriedigung ei­ni­ger Grundbedürfnisse, ab­ge­schnit­ten von selbst­tä­ti­ger ge­sell­schaft­li­cher Partizipation. Das Vergessen und Verdrängen al­ler Wünsche und Hoffnungen, er­laubt nur mehr die Praxis der Kombination von Dumpfheit mit dem Gefühl von Glückseligkeit, wel­ches sich beim Essen von »Wiener Punschkrapferln« ein­stel­len kann.

 

RAUM DES KURZWEILIGEN VERGESSENS
Materialien: Bett, wei­ße Spitzenvorhänge, Tischchen, Dildo, Kondome, Papiertaschentücher, 4 wei­ße Sessel, 3 s/w Photographien, Silberspray, Wolldecken zum Zuhängen der Eingangstür, 2 ro­te Leintücher.

Im Stadtraum der Felberstraße über der Westbahn, und in Teilen des 15. Bezirkes un­ter­halb der Westbahn und zwi­schen der äu­ße­ren Mariahilferstraße und Wienfluss gibt es zahl­rei­che Bars und Bordelle. Im 19. Jahrhundert war die­ser Teil der da­ma­li­gen Vorstädte auch be­kannt für zahl­rei­che Vergnügungs- und Tanzetablissements von de­nen Schwenders Kolosseum das be­rühm­tes­te und größ­te war. Die Sozialstruktur ist im 15. Bezirk bis heu­te pro­le­ta­risch ge­prägt und durch ei­nen ho­hen Prozentsatz von Migranntlnnen an der Bevölkerung ge­kenn­zeich­net.

So ist der »Raum des kurz­wei­li­gen Vergessens« dem Aspekt der Erotik als Dienstleistung im ur­ba­nen Leben Wiens ge­wid­met und steht ne­ben dem »Weißen Raum« auch mit dem »Raum dump­fer Glückseligkeit« im künst­le­ri­schen Dialog. Dieser ro­te Raum war auch ur­sprüng­lich bunt­far­big ge­stri­chen, und aus den Vorgefundenen Spuren (Plakate, be­schrie­be­ne Zettel, tür­kisch – deut­sche Vokabelsammlung) le­se ich ab, dass in die­ser Wohnung Migranntlnnen aus der Türkei ge­wohnt ha­ben.

 

BIJEL! PROSTOR – WEISSER RAUM
Materialien: 3 Sessel, 2 Vorgefundene Schachteln ver­schie­de­ner Tampons, wei­ße Wandfarbe.

Der »Rote Raum« und der »Weiße Raum« ge­hö­ren un­mit­tel­bar künst­le­risch zu­sam­men. Bei bei­den ist das Licht das kon­sti­tu­ie­ren­de Element des Kunstwerks. Ist beim »Roten Raum« das Licht ge­fil­tert und auf ein ge­rin­ges Maß durch das Abdecken der Eingangstür re­du­ziert, so ist im Raum da­ne­ben, durch das Streichen mit wei­ßer Farbe die Lichtwirkung des ein­ge­strahl­ten Naturlichts we­sent­lich ge­stei­gert. Durch das Weiß (vor al­lem des Bodens) wird die vi­su­el­le Wahrnehmung von oben und un­ten »ir­ri­tiert«. Das Setzen des skulp­tu­ra­len Elements »Sessel« im Raum, au­ßer­halb zweck­mä­ßi­ger Positionierung, ver­mit­telt den Rezipientlnnen den Eindruck räum­li­cher Unbestimmtheit. Diese Raumarbeit ist im Ensemble der 9 Räume die for­mal abs­trak­tes­te, weil sie Vorgefundene Texturen, Farbgebung von Wand und Boden durch die wei­ße Farbe vi­su­ell zum Verschwinden bringt, an­de­rer­seits aber die Realräumlichkeit (Größenverhältnisse, Raumvolumen) die­ses Raumes er­fahr­bar macht.

Die Tampons an Wand und Boden sind Fundstücke aus die­sem Raum. Sie re­prä­sen­tie­ren für mich ei­ner­seits die weib­li­che Gerichtetheit die­ses Raums, und an­de­rer­seits ma­chen sie grund­le­gen­de kör­per­li­che Realitäten mensch­li­chen Lebens, durch die ober­fläch­li­che äs­the­ti­sche Folie der wei­ßen Farbe, fast kör­per­lich spür­bar.

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