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»VRUĆE LJETNO OTPODNE« RAUMARBEITEN IM HAUSE PARKGASSE 14, GROSSWARASDORF-VELIKI BORISTOT, FAMILIE BREZOVICH VOM 3.8 BIS 6.9.1998
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Den Schutt in den Räumen des Hauses, wel­ches seit ca. 15 Jahren un­be­nützt ist, räum­te ich lang­sam und vor­sich­tig weg. Dabei fand ich im Schutt und an ver­schie­de­nen Orten des Hauses al­te Gegenstände, dar­un­ter z.B. da­tier­te Papiere (das äl­tes­te ein Dokument aus dem Jahre 1903, in un­ga­ri­scher Sprache ver­faßt), aus den 20er Jahren hand­schrift­li­che Vermerke über die Geburt der Kinder (5 Söhne, 1 Tochter), Lohnstreifen ei­nes Sohnes, der in Wien als Lehrer ar­bei­te­te, von 1941 bis 1944, von 1942 bis 1943 Streifen über Kinderbeihilfenbezüge, das Gewerkschaftsbuch von Paul Brezovich aus den 60er Jahren, Zahlscheine, Mahnungen aus den 70er Jahren und vom Anfang der 80er Jahre. Das Haus dürf­te ein für da­ma­li­ge Verhältnisse gro­ßes Bauernhaus ge­we­sen sein, aus Erzählungen im Dorf er­fuhr ich, daß die Familie wirt­schaft­lich zum Ruin ge­kom­men war. 2 Söhne ka­men im 2. Weltkrieg um, bei­de Elternteile star­ben, die bei­den jüngs­ten Söhne, bei­de taub­stumm, wur­den wäh­rend der Nazizeit kas­triert, ar­bei­te­ten als Hilfsarbeiter, bei­de tran­ken über­mä­ßig Alkohol. Paul Brezovich, al­lei­ne im Haus, er wur­de im Hof an ei­nem hei­ßen Sommertag von Nachbarn tot auf­ge­fun­den. Die Krawatten, wel­che ich in ei­nem der Kästen fand, ge­hör­ten wahr­schein­lich ihm und wur­den von ihm ge­tra­gen.

Die Wände wusch ich mit Bürste und Wasser teil­wei­se ab, wo­durch dar­un­ter­lie­gen­de Färbelungsschichten sicht­bar wur­den. Bemerkenswert er­schien mir, daß die ge­mal­te Abschlußzierleisten im­mer in ver­schie­de­ner Höhe an­ge­bracht wor­den wa­ren. Die Lichtdrucke auf Photopapier (Ecke im ehe­ma­li­gen Schlafzimmer, zwei Mal am Boden im ehe­ma­li­gen Schlafzimmer und zwei Mal am Boden im ehe­ma­li­gen Wohnzimmer) stell­ten für mich im zeit­lich pro­zeß­haf­ten Ablauf die­ser künst­le­ri­schen Arbeit vi­su­el­les Festhalten von Zeit auf Photopapier, durch die kon­kre­ten Lichtverhältnisse in die­sen Räumen, dar. Da die­se zy­klisch ab­fol­gend über Jahre hin­weg ähn­lich sind, ga­ben sie mir die Möglichkeit, da­durch in Beziehung zur ima­gi­nier­ten Geschichte die­ser Räume zu tre­ten. Während des wei­te­ren Verdichtungsprozesses bei die­ser Raumarbeit wur­den die Holzböden zwei­er Räume im­mer wich­ti­ger für mich. Durch das Hineingehen in und Hinausgehen aus die­sen Räumen brach­te ich im­mer wie­der Staub und Erde in die­se Räume. Daher be­gann ich die Räume re­gel­mä­ßig zu keh­ren und schließ­lich zu wa­schen. Mit Bürste und Wasser schrubb­te ich schließ­lich die Böden ei­ni­ge Male und so be­stimm­te ei­ner­seits die durch den Verrottungsprozeß der Holzböden ge­form­te Holztextur im­mer stär­ker die Atmosphäre der Räume, an­de­rer­seits kam es durch das »Schöner wer­den« der Böden wie­der zu ei­ner Trennung von Innen- und Außenräume. Der di­rek­te Körperkontakt mit dem Holz (kni­en­des Waschen des Bodens) stärk­te ei­ne sich lang­sam ent­wi­ckeln­de Vertrautheit mit die­sen Räumen.

Die Spitzenvorhänge ste­hen für die durch­läs­si­ge Grenzen zwi­schen Innen und Außen. Durch den Kontext zu Kleidungsstücken wei­sen sie auch auf Körperoberflächen hin und stel­len ein weib­li­ches Element als Komplement zur männ­lich ori­en­tier­ten Benützung die­ser Räume durch ih­re letz­ten Bewohner dar. Das Bett, ge­bil­det aus der Eingangstür vom Hof in den Schlafraum, stellt für mich die Imagination von Weiblichem durch die Bettdecke dar, die aus ei­nem fei­nen wei­ßen Spitzenvorhang ent­stand.

Um die Eingangssituation des Hauses be­wußt zu ma­chen, leg­te ich in der hof­sei­ti­gen Ecke ei­ne an­nä­hernd qua­dra­tisch ge­form­te Sandfläche an. Beim Entfernen der Grasnarbe för­der­te ich ver­schie­den gro­ße Kieselsteine (wahr­schein­lich wur­den die­se zum Beschweren von ein­ge­leg­tem Kraut ver­wen­det) zu Tage. 7 die­ser Steine wan­der­ten im künst­le­ri­schen Gestaltungsprozeß auf die an­ge­leg­te Sandoberfläche, da­durch ent­stand ein Gebilde, ähn­lich ei­nem ja­pa­ni­schen Trockengarten. Diese Form läßt bei mir die Assoziation von ge­stal­te­ter Zeit ent­ste­hen, als Gegenpol zu den kon­kret nach­voll­zieh­ba­ren Spuren ehe­ma­li­gen Lebens in die­sem Haus, die für mich Zeit als Brüchiges und Marginalisierendes frü­he­rer Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen, die hier leb­ten, er­schei­nen läßt.

Den Stadel, den ich im­mer nur als Silhouette wahr­nahm, und nie be­tre­ten hat­te, bau­te ich aus Rohrkolben, die im Hof an ei­ner was­ser­hal­ti­gen Stelle reich­lich wuch­sen, nach, und deck­te das »Stadelmodell« mit Stroh aus dem Ort. In die­se nach­ge­bau­te Form stopf­te ich Stroh aus der ehe­ma­li­gen Stallung des Haus und ver­brann­te sie bei der Finissage-Party am 6. 9.1998.

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